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Spendentour – Karsten Drath hat seine nächste Etappe Corona-bedingt angepasst / Nach Skandinavien statt nach Kanada

Spendentour: Mit dem Rad bis zum Nordkap

02.06.2021 VON BERNHARD ZINKE

© KARSTEN DRATH

Rhein-Neckar. Eigentlich hätten die 3000 Kilometer von Vancouver nach Winnipeg in Kanada auf dem Reiseplan gestanden. Doch Karsten Drath musste Corona-bedingt umplanen. Nun entflieht er der Zivilisation und radelt komplett alleine von Lübeck bis ran ans Nordkap. Das sind auch 3000 Kilometer – und eine ganz andere Route, als sich der Meckesheimer Manager für seine Tour rund um die Welt vorgestellt hat.

Seit 2017 ist heute 51-Jährige mit dem Rad in aller Welt unterwegs, um Spenden für zis zusammen. Die Non-Profit-Organisation vergibt Reisestipendien an 16- bis 20-Jährige. Das Ziel: ein selbstgewähltes Thema vier Wochen lang im Ausland bearbeiten, ohne dafür mehr als die 600 Euro auszugeben, die zis bezahlt. Für Karsten Drath haben die zwei Reisen nach Schottland und Island im Wortsinne Horizonte geöffnet. Um Reisekosten zu sparen, heuerte er auf einem Frachtschiff an, radelte 1700 Kilometer bis nach Schottland und wieder zurück, um die Fischerei an der schottischen Westküste zu erforschen. Es ist kein Wunder, dass Drath im Hauptberuf Topmanager in Krisenfestigkeit und psychischer Widerstandsfähigkeit fit macht.

zis-Reisen

  • Hauptziel der Stiftung ist es, Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren fremde Kulturen zu vermitteln.
  • Durch Konfrontation mit dem Fremden sollen sie die Chance bekommen, selbst zu reifen.
  • Jugendliche müssen sich mit ausführlichem Motivationsschreiben bewerben.
  • Die Jugendlichen bekommen jeweils 600 Euro an die Hand. Mehr Geld dürfen sie nicht ausgeben.
  • Ein Mentor steht bei den Vorbereitungen beratend zur Seite.
  • Infos unter www.zis-reisen.de.

Jeden Sommer eine Auszeit

Im Sommer nimmt er sich seit vier Jahren jeweils vier Wochen Auszeit. Sein Ziel: in Etappen mit dem Rad um die Welt zu fahren, damit zugleich Werbung für zis zu machen und Spendengelder einzutreiben. Das macht er durchaus erfolgreich. Auf vier Touren nach Verona, Montpellier, Lissabon und rund um die neuen Bundesländer hat er 73 000 Euro eingeworben. „Das sind 81 Stipendien“, rechnet Karsten Drath den Betrag in harte Spendenwährung um. „Das macht mich sehr froh“.

Diesmal also das Nordkap. Das stand erst gar nicht auf dem Tour-plan, der immerhin bis 2027 reicht. Doch in Corona-Zeiten gilt es, eher der Zivilisation zu entfliehen. Also radelt Drath durch schwedische, finnische und vielleicht auch norwegische Einsamkeit, wenn sich dort rechtzeitig die Grenzen öffnen. Start ist am 15. Juni in Lübeck. Am 16. Juni nimmt er die Fähre in Travenmünde. Und dann geht’s ab Malmö auf dem Fernwanderweg E 10 immer in Richtung Norden. „Ich will so nah wie möglich ans Nordkap kommen“, hat Drath das Ziel klar vor Augen. Überwinden muss er dazu 17 000 Höhenmeter, also fast zweimal den Mount Everest hoch. „Aber das verteilt sich ja auch 3000 Kilometer, also halb so wild“, lacht der Manager.https://992f8171d89138194f6093f89728c68b.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-38/html/container.html

Drath ist geimpft und hat daher keine Angst vor den schwedischen Inzidenzwerten, die dreimal so hoch sind wie in Deutschland. „Ich fahre ja fernab von jeglicher Zivilisation“, winkt er ab. Solarpanels fangen die Energie der fast rund um die Uhr scheinenden Sonne ein. Und hat er keine Angst, in der Not keine Hilfe zu finden? Dan greift das, was Drath das „zis-Glück“ nennt: Wenn er Hilfe brauchte, war bislang immer jemand zur Stelle. Wie etwa im vergangenen Jahr, als ihm in Thüringen die Kette riss – am Samstagnachmittag kurz vor Ladenschluss. Ein Pärchen, das gerade in einer Pizzeria saß, half. Der Mann packte Drath und sein Fahrrad in den Transporter und fuhr ihn in seine Werkstatt, um die Kette zu reparieren. Das sei ja gerade die „DNA“ von zis, Horizonte zu erweitern und Lösungen für ganz praktische Probleme zu finden. Ohnehin sei es einfacher, alleine zu reisen. „Dann kommt man viel schneller in Kontakt mit Land und vor allem Leuten“, weiß Drath.

Rückfahrt mit Mietwagen

In einem Monat will er wieder zuhause sein, den Rückweg aber mit einem Mietwagen nehmen. Seine Familie verzeiht ihm die vierwöchige Auszeit, weiß sie doch, dass Ehemann und Vater dann glücklich und ausgeglichen wieder zuhause aufschlägt.

Mindestens 10 000 Euro will er in diesem Jahr mit seiner Tour wieder einwerben. Aber vielleicht wird’s wieder mehr. Auf den ersten beiden Etappen kamen jeweils 25 000 bis 30 000 Euro zusammen.

Bernhard Zinke Autor Stellvertretender Leiter der Redaktion Mannheim und die Region

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