Article in Newspaper “Mannheimer Morgen”

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Was der Meckesheimer Spendenradler Karsten Drath in Norwegen erlebte

Rhein-Neckar. Alleine die Rahmendaten lassen das Abenteuer erahnen, das Karsten Drath in den vergangenen vier Wochen erlebt hat: 24 Tage auf dem Rad, Tagesstrecken zwischen 110 und 180 Kilometern, eine Gesamtdistanz von 2800 Kilometern, 29 000 Höhenmeter, also soviel wie dreimal den Mount Everest hoch, mindestens 100 Moskito-Stiche in Schweden und ein gebrochenes Hinterrad am nördlichen Polarkreis, für dessen Ersatzbeschaffung der Meckesheimer weitere 650 Kilometer als Tramper oder mit dem Mietwagen unterwegs war. „Ja, das war diesmal schon die abenteuerlichste Tour“, sagt er rückblickend, frisch und unversehrt wieder zuhause angekommen.

Seit 2017 unternimmt der Buchautor und Führungskräfte-Coach Radtouren. Damit wirbt er Spendengelder ein für die zis-Stiftung für Studienreisen. Mit kleinem Taschengeld sollen junge Menschen auf eigene Faust reisen und dabei auch sich selbst finden. 88 000 Euro hat er bislang gesammelt, 14 700 Euro alleine auf dieser Tour.

Drath war in Montpellier, in Gibraltar – und diesen Sommer am Nordkap. Die größte Herausforderung diesmal: Bei Jokkmokk am Polarkreis gab das Hinterrad den Geist auf. „Erst ist die erste Speiche gebrochen, dann die zweite, dann die dritte. Na ja, vielleicht habe mich mein Rad ein bisschen zu schwer beladen“, sagt er. Also trampte er erstmal. Ein Schwede in einer Ente, der zuerst anhielt, konnte wenig helfen, aber zwei Österreicher mit VW-Bus schon. Sie karrten ihn samt Fahrrad 120 Kilometer in die nächstgrößere Stadt. Aber dort gab’s nur ein Sportgeschäft. Also entschied Drath sich, per Mietwagen ins 300 Kilometer entfernte Lulea zu fahren. Dort kaufte er das einzige noch verfügbare Hinterrad. Auch in Skandinavien herrscht Ersatzteil-Not.

Dafür klappte die Einreise nach Norwegen, das Corona-bedingt erst frisch geöffnet hatte, problemlos. „Ich hab mir ein Loch in den Bauch gefreut“, sagt Karsten Drath und ist noch immer völlig gepackt von der wilden Schönheit dieses Landes „Das hat mich sehr berührt“.

In Norwegen machte er allerdings auch Bekanntschaft mit einer Endfünfzigerin, die ihn auf Englisch ansprach: „Weißt Du eigentlich, was die Deutschen uns im Zweiten Weltkrieg angetan haben?“ Drath wusste es nicht und machte Bekanntschaft mit einem unbekannten Stück deutscher Geschichte. Die Wehrmacht hatte Tausende Norweger umgesiedelt, zur Zwangsarbeit genötigt und alles zerstört, um die Russen am Vormarsch zu hindern. „Es stimmt: In Nordnorwegen gibt es kein Gebäude, das älter ist als 75 Jahre. Und das, weil unsere Vorfahren alles kurz und klein geschlagen haben“, so die bittere Erkenntnis. Es sei eine außergewöhnliche Begegnung gewesen, auch wenn die Dame nicht sonderlich herzlich gewesen sei. Er habe aber auch viel Herzlichkeit erlebt. Und eine ebenfalls denkwürdige Schlussetappe zum Nordkap. Durch einen acht Kilometer langen Tunnel 220 Meter unter dem Meer im Kaltluftzug bei vier Grad, „da kriegst du Schnappatmung“. Es war nass, es war kalt, aber es war großartig, an der Weltkugel zu stehen. Zur Feier des Tages gönnte Karsten Drath sich eine feste Hütte auf dem Campingplatz und einen Tag Pause mit Saunagang.

Das Ziel nächsten Sommer steht schon: durch die kanadischen Rocky Mountains. „Aber nicht zu früh. Die Bären sollen nach ihrem Winterschlaf schon sattgefressen sein“, sagt Drath grinsend.

Infos zur Tour und zum Projekt: fundraising-for-zis.blog

  • Karsten Drath will mit seinen Touren möglichst viele Stipendien für die Stiftung zis-Reisen erwerben.
  • Hauptziel der Stiftung ist es, Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren fremde Kulturen zu vermitteln.
  • Durch Konfrontation mit dem Fremden, sollen sie die Chance bekommen selbst zu reifen.
  • Jugendliche müssen sich mit ausführlichem Motivationsschreiben bewerben. Sie bekommen jeweils 600 Euro. Mehr Geld dürfen sie nicht ausgeben. 
  • Ein Mentor steht bei den Vorbereitungen beratend zur Seite.
  • Infos unter www.zis-reisen.debjz

Bernhard Zinke Autor Stellvertretender Leiter der Redaktion Mannheim und die Region

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