In Wanderstiefeln zur Staatspräsidentin

Grenzen entstehen zuerst im Kopf, aber wir müssen uns nicht von ihnen einschränken lassen: Als Schüler habe ich fünf Wochen in Island verbracht – mit wenig Geld, großen Problemen mit der Einwanderungsbehörde, aber auch mit dem unbedingten Willen das Walfangprogramm wissenschaftlich zu erforschen. Am Ende haben sich mein Durchhaltevermögen und meine Beharrlichkeit ausgezahlt und ich durfte sogar die isländische Staatspräsidentin treffen.

Ein Stipendium der Stiftung für Studienreisen „zis“ erlaubte es mir vor 30 Jahren nach Island zu reisen, um mich dort mit einem zu dieser Zeit sehr politischen und emotionalen Thema auseinanderzusetzen: dem Walfang.

Ein Finnwal springt. Diese wurden im Rahmen des wissenschaftlichen Walfangprogramms gejagt.

Das Stipendium gab es damals natürlich nicht ohne Bedingungen. Es durften keine eigenen Geldmittel mit auf die Reise genommen werden,  man musste mindestens vier Wochen unterwegs sein und bekam dafür umgerechnet gerade einmal 400 Euro. Das Problem: Mit dieser Summe schaffte man es schon damals nicht bis nach Island.

Das Einzige, was dieses Unterfangen nicht wie die dumme Idee eines Teenagers aussehen ließ, war ein Empfehlungsschreiben der Stiftung und der UNESCO, in dem konstatiert wurde, dass ich tatsächlich auf einer Mission war.

Knappe Ressourcen fördern Kreativität

Klar war aber auch, mit den mir zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln werde ich nicht sehr weit kommen: Eine schnelle, aber doch kreative Lösung musste her und ich kontaktierte die isländische Botschaft mit der Bitte, mir die Reise zu finanzieren. Das wurde abgelehnt. Aber schon in meiner schwierigen Kindheit, die von einer alkoholkranken Mutter und einem wegschauenden Vater geprägt war, hatte ich gelernt, auf mich zu vertrauen und nicht aufzugeben. Ich rief einfach immer wieder an, nervte und hatte schließlich Glück.

Ich durfte an Bord eines Fischtrawlers gehen, der den Hafen von Bremerhaven zwei Tage später in Richtung Reykjavik verlassen sollte. Nur eine Bitte hatten sie an mich zum Abschied: Ich solle nie wieder anrufen.

Drei Tage dauert die Reise bis in die isländische Hauptstadt: Sie war alles andere als komfortabel, das Wetter schlecht – sogar im Mai schneite es noch. Und ich war die ganze Zeit über seekrank. Am liebsten wäre ich in Island sofort an Land gegangen, nur runter von dem Schiff, aber ich durfte nicht.

Die isländische Einwanderungsbehörde verbot es mir, weil ich nicht genügend Geld für die Heimreise hatte und die Vermutung nahe lag, dass ich länger als nur fünf Wochen in Island bleiben könnte.

Aber noch etwas anderes machte mich verdächtig: Ich sah damals geradezu stereotypisch aus wie ein Aktivist von Greenpeace oder ein militanter Ökoaktivist der Umweltschutzorganisation Sea Shepherd, die im Jahr zuvor zwei Walfangschiffe im Hafen von Reykjavik versenkt, die zentrale Walfangstation sabotiert und damit der Walfangindustrie einen Millionenschaden zugefügt hatten. Ein Papstbesuch machte die Behörden zusätzlich nervös.

Was mich damals rettete, war ein Einladungsschreiben des Fischereiministeriums, das mir die Reise erlaubt hätte – nur lag dieser Brief über 2000 Kilometer entfernt in Deutschland. E-Mails und Handys waren damals noch nicht so weit verbreitet wie heute und ein Fax verschickte man mit viel Aufwand von der Post aus. Meine Eltern waren in Aufruhr und krank vor Sorge.

Die Krise zum Vorteil nutzen

Aber wieder hatte ich Glück im Unglück und lernte in der Deutschen Botschaft eine nette Dame kennen, die mich unterstützte und die formellen Fragen recht schnell klären konnte, aber nicht nur das. Mit einer Mischung aus Irritation und Vergnügen hatte die deutsche Diplomatin meinen Wunsch nach einem Treffen mit der Staatspräsidentin Vigdís Finnbogadóttir aufgenommen, um mit ihr über das Walfangprogramm zu sprechen. Letztlich hat sie es aber versucht und auch geschafft.

Die isländische Staatspräsidentin Vigdís Finnbogadóttir

Und so saß ich der isländischen Staatspräsidentin einige Tage später in Wanderstiefeln und ohne Anzug  oder anderer formeller Kleidung gegenüber. Finnbogadóttir scheint es nicht gestört zu haben. Sie machte es damals möglich, dass ich in der zentralen Walfangstation Islands arbeiten durfte.

Was ich über das Leben gelernt habe

Die Reise nach Island war reich an Erfahrungen und für meine eigene Entwicklung außerordentlich wertvoll. Ich schaffte es Krisen mit Kreativität und Improvisationstalent zu meistern. Zwei Fähigkeiten, die in unserer Welt auch heute noch sehr hilfreich sind.

Die frisch angelandeten Wale werden auf der Walfangstation zerlegt

Mittlerweile benutzen wir dafür das Wort Resilienz. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Führungskräften weltweit zu helfen, diese innere Kraft zu entwickeln und auf sie zu vertrauen.

Das Projekt

Für mich war das Stipendium so wichtig und wertvoll für den weiteren Lebensweg, dass ich mich entschieden habe, mit dem Fahrrad von Heidelberg nach Verona zu fahren. Um Geld für die Stiftung für Studienreisen zu sammeln. Im Juni 2017 werde ich in zehn Tagen die 1.000 Kilometer lange Strecke zurücklegen – und dabei insgesamt 10.000 Höhenmeter überwinden.

Mein Ziel ist es, Geld für mindestens 20 Stipendien (á 900 Euro) zu sammeln, insgesamt also 18.000 Euro.

Hier kannst du mehr über dieses Projekt erfahren: https://betterplace.org/p53158

Dieses Thema ist eine richtige Herzensangelegenheit für mich. Es wäre toll, wenn ich auch Dich mit diesem Projekt inspirieren könnte. Deine Unterstützung – groß oder klein – bedeutet mir sehr viel. Herzlichen Dank!

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